Entnazifizierung

Hanns Nothhelfers Spruchkammerverfahren

Kurz nach Kriegsende musste sich Hanns Nothhelfer vor den amerikanischen Besatzungstruppen verantworten. Wie jedes Mitglied der NSDAP wurde er nach dem Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus überprüft. Aufgrund einer Denunziation kam es zu einem Spruchkammerverfahren. Das war zu dieser Zeit keine Seltenheit. Die Entnazifizierungsverfahren nutzten viele Menschen, um persönliche Feindschaften auszutragen. Doch Hanns Nothhelfer konnte glaubhaft darlegen, dass er trotz seiner Parteimitgliedschaft nie Nationalsozialist gewesen war. Am 24. Februar 1947 erging das Urteil – und Hanns Nothhelfer wurde als "Mitläufer" eingestuft. Das Gericht bescheinigte ihm, „dass er kein Nationalsozialist gewesen ist, dass er sich für politisch Verfolgte tatkräftig eingesetzt hat, sie so entlastete, dass die Gestapo sie nicht weiter verfolgen konnte.“

Hanns Nothhelfer im Kreis seiner Kollegen der Hildebrand Rheinmühlenwerke.
Hanns Nothhelfer im Kreis seiner Kollegen der Hildebrand Rheinmühlenwerke. Er steht ganz hinten als sechster von rechts.

Die Pogromnacht ändert alles

Hanns Nothhelfer war 1938 der Partei beigetreten, „aus politischer Unerfahrenheit“, wie er selbst schrieb. Zu dieser Zeit arbeitete er als Handelsvertreter der Hildebrand Rheinmühlenwerke und wollte sich mit diesem Schritt seine berufliche Bewegungsfreiheit erhalten. Die Novemberpogrome des gleichen Jahres müssen ihm jedoch die Augen geöffnet haben. Auch sein Schwiegervater Philipp Klein machte ihm die demokratiefeindliche Haltung des Regimes deutlich. Als marodierende SA-Männer durch die Stadt zogen, ließen Klein und Nothhelfer einige kräftige Arbeiter vor dem Haus Elisabethenstraße 70 Stellung einnehmen, um die jüdische Nachbarsfamilie Hanau zu schützen.

Nothhelfer ist geläutert

Hanns Nothhelfer hatte viele Kontakte zu jüdischen Bürgern. Das brachte sein Beruf als Handelsvertreter mit sich. Als die antisemitischen Gesetze den Umgang mit Juden gefährlicher machten, hielt er treu zu seinen jüdischen Geschäftsfreunden und Kollegen. Rolf Bielefeld, ein Geschäftspartner Nothhelfers und selbst Halbjude, gab an, grundsätzlich keine Entlastungsschreiben auszustellen. Dennoch bestätigte er während des Verfahrens gegen Nothhelfer dessen geläuterte Haltung. „Ich gewann den Eindruck, dass er, nachdem er seinen politischen Irrtum erkannt hatte, sich überzeugt und energisch gegen den Nationalsozialismus stellte und sich bemühte, im Rahmen des ihm Möglichen Widerstand zu leisten.“

Hanns Nothhelfer 1937.
Hanns Nothhelfer 1937. Zu dieser Zeit war er noch selbständiger Handelsvertreter für die Hildebrand Rheinmühlenwerke.

Den Volkssturm sabotiert

Nothhelfer drückte sich von nun an, wo er nur konnte, vor den Parteipflichten. Viele Zeugen bestätigten, dass er die Versammlungen mied und sich häufig krank meldete. Als er zum Volkssturm eingezogen wurde, sabotierte er zusammen mit seinem Kollegen Jakob Volz die Befehle: Die Männer änderten „die gröbsten Unsinnigkeiten“ der Apelle oder „ließen Stellen einfach weg“.

In der Nacht vom 24. auf den 25. März 1945, als die Amerikaner vor Darmstadt standen, verweigerte Hanns Nothhelfer sogar offiziell den Befehl, auszurücken. In Nieder-Modau, wo Nothhelfer wohnte, verlangte der Bataillonsführer des Volkssturms, dass die Bewohner das Dorf verlassen sollten, um dort eine Verteidigungsstellung zu errichten. Hanns Nothhelfer stellte sich dem entgegen mit der Begründung, dass dies nur unnötige Opfer kosten würde. Er überzeugte die Dorfbewohner davon, ruhig in ihren Häusern zu bleiben und die Amerikaner zu erwarten. Der Kommandant beschimpfte ihn daraufhin als „minderwertigen Deutschen“ der gleich den Amerikanern entgegen marschieren könne.

Unterstützung für Verfolgte

Nothhelfer war vielleicht kein Held im klassischen Sinn, aber er war jemand, der mit seinen Mitteln unauffällig zivilen Ungehorsam praktizierte. So nutzte Hanns Nothhelfer seine Parteiverbindungen in der Hauptsache, um Menschen, die mit dem Regime in Konflikt geraten waren, zu helfen. Viele Zeugen berichteten von seinem Einsatz, um Inhaftierte frei zu bekommen. Er unterstützte verfolgte SPD-Mitglieder und Männer vom Reichsbanner und erreichte, dass Anklagen fallen gelassen wurden oder dass die Gerichtsurteile milde ausfielen. Bei einigen Prozessen trat er selbst als Zeuge auf und entlastete die Angeklagten.

Das Urteil der Spruchkammer über Hanns Nothhelfer lautete "Mitläufer".
Das Urteil der Spruchkammer über Hanns Nothhelfer lautete "Mitläufer". Damit wurde ihm bescheinigt, dass er zwar formal Mitglied der NSDAP gewesen, ihre Politik aber nicht aktiv unterstützt hatte. Die Spruchkammer befand sogar, dass Nothhelfer Mitbürger vor Verfolgung beschützt hatte.