Mit Stuck an die Spitze

PHILIPP KLEIN (1874-1949)

Luise Hager und Philipp Klein kurz vor ihrer Hochzeit 1901.

1913 machte Wilhelm Klein seine Söhne Philipp und Heinrich zu Teilhabern der nun zur OHG umgewandelten Firma Klein. Beide  arbeiteten bereits seit zwanzig Jahren vollverantwortlich im Betrieb mit. Die Firma hatte ihren wirtschaftlichen Zenit erreicht und Philipp hatte wesentlichen Anteil an diesem Erfolg.

Stuck war zur Gründerzeit und im Jugendstil die beliebteste Form der Innendekoration. In Darmstadt herrschte eine große Nachfrage. Seit 1895 hatte die Wirtschaft unter Großherzog Ernst-Ludwig rasant an Fahrt aufgenommen. Investitionen in Gas, Elektrizität, Wasser und in den Straßenbahnbau zogen große private Investitionen nach sich. Zwischen 1890 und 1905 stiegen die Einwohnerzahlen von 56.500 auf 83.100. Diese Menschen brauchten Wohnraum. Ihr Lebensstandard stieg im gleichen Tempo: Das Einkommen der Darmstädter lag 150% über dem hessischen Durchschnitt. Die Stadt war wohlhabend und sie wollte, dass man das ihren Häusern und Wohnungen, ihren Theatern, Kirchen und Palästen ansah.

„Königlicher Hofbaumeister“

Philipp Klein hatte im väterlichen Betrieb Stuckateur gelernt und seine Kenntnisse und Fertigkeiten  im plastischen Gestalten 1893 an der Bildhauerschule in München zur Meisterschaft entwickelt. Er war der unangefochtene Spezialist für Stuckarbeiten der Firma Klein. Seit 1904 trug er den Titel eines „Hofbaumeisters“ des Prinzen zu Schaumburg-Lippe. Die adlige Kundschaft legte großen Wert auf seine Expertise, und mit manchen war er freundschaftlich verbunden.

Seine Mitgliedschaft in der Studentenverbindung Rugia öffnete Philipp Klein die Türen in die höhere Verwaltung und zu den akademischen Schichten der Stadt. Er pflegte seine vielfältigen Kontakte zu Architekten, zu Kollegen der Baubranche und zu örtlichen Lokalpolitikern. Zusammen mit seiner Ehefrau Luise Klein nahm er am regen Gesellschaftsleben der Stadt teil. Darmstadt war eine liberale Residenzstadt und der Zugang zum Hof stand auch Bürgerlichen offen. So wurde die Firma Wilhelm Klein  zum größten Auftragnehmer des Darmstädter Adels. Sie restaurierte und gestaltete das Palais Löwenstein, das Palais Schaumburg-Lippe, das Residenzschloss und das Neue Palais des Großherzogs sowie das Schloss Heiligenberg der Adelsfamilie Battenberg in Seeheim. Dann folgten auch große auswärtige Aufträge wie das Großherzogliche Schloss Mainz, Schloss Ringelsbruch und Schloss Lich. Als Großherzog Ernst-Ludwig schließlich die Bau-Ausstellungen in der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe ausrichten ließ,  fehlte auch die Firma Klein nicht.

Philipp Klein (1916)
Philipp Klein vor seinem Baubüro in Königswusterhausen (ca. 1916).

Arbeiten für die Großindustrie

Philipp Klein arbeitete unermüdlich am Ausbau des Unternehmens. Er sprühte vor Ideen und hatte, wie sein Vater, einen starken unternehmerischen Drang. Schon 1910 wuchs die Firma auf rund 300 Mitarbeiter und führte Aufträge im ganzen Land aus. 1916, während des Ersten Weltkriegs, wurde der erfahrene Bauunternehmer  kriegsverpflichtet: Man kommandierte ihn als Leiter einer 350-Mann-starken Malerkolonne  zur Schütte-Lanz Luftschiffwerft nach Königswusterhausen bei Berlin. Zu diesem Zeitpunkt saß die Firma Wilhelm Klein bei der Großindustrie schon fest im Sattel. Sie führte ein ständiges Baubüro auf dem Werksgelände der Chemiefabrik Merck in Darmstadt und beim Automobilhersteller Opel in Rüsselsheim. Anfang der 30er Jahre wurde Frankfurt zu einem wichtigen Standort. Arbeiten an dem Neubau der IG Farben-Werke und andere Aufträge führten zur Eröffnung einer Filiale in der Frankfurter Gutleutstraße.

Klein setzt auf natürliche Pferdestärken

Anfang der 30er Jahre begann Philipp Klein den Betrieb zu motorisieren. Der erste Lastwagen, den sich die Firma leistete, war selbstverständlich ein Opel. Dennoch blieben bis 1945 Pferdefuhrwerke das wichtigste Transportmittel für Gerüste und Malermaterial. Philipp Klein hielt vier bis sechs Belgische Kaltblüter, sogenannte Brabanter, auf dem Anwesen in der Elisabethenstraße. Er liebte diese Pferde. Sie waren untersetzt und kräftig gebaut mit kurzen Beinen und von ruhigem Gemüt - so wie "Meister Philipp". Im Sommer schickte er sie zur „Sommerfrische“ nach Kranichstein auf die Wiesen des Reitvereins.  Während des Zweiten Weltkrieges, als Benzin knapp war und Fahrzeuge für Versorgungszwecke beschlagnahmt wurden, waren sie ein wertvoller Besitz. Das letzte Pferd kam bei dem verheerenden Bombenangriff auf Darmstadt um.

Schutz für jüdische Mieter

Die nationalsozialistische Machtergreifung sah Philipp Klein mit Sorge. Er hatte sich dem Freimaurertum zugewandt und dort einen Kreis Gleichgesinnter gefunden, mit denen er sich konfessionsübergreifend über humanistische Themen austauschte. Die Loge wurde gleich 1933 geschlossen. In der Pogromnacht, am 9. November 1938, als SA-Männer in ganz Darmstadt in jüdische Wohnungen und Geschäfte eindrangen, ergriff Philipp Klein Gegenmaßnahmen. Er ließ seine Häuser in der Elisabethenstraße, in denen auch jüdische Mieter lebten, von kräftigen Arbeitern bewachen. „Ich lasse mir doch von diesem Gesocks nicht die Häuser demolieren“ soll er gesagt haben.

Bewohner der Elisabethenstraße 70 im Luftschutzkeller
Im Luftschutzkeller: Alle Bewohner der Elisabethenstraße 70 (v.re.v.) Rolf Vogt und Barbara Nothhelfer, dahinter Frau Vogt, Philipp Klein mit Enkelin Luisa auf dem Schoß, Frau Feldmann, Dr. Feldmann, Luise Klein, die Tochter der Familie Feldmann und Hanns Nothhelfer.

Der rettende Bunkerbau

Nach Kriegsausbruch verfolgte er die politische Entwicklung sehr aufmerksam. Als 1943 die Fliegerangriffe auf Darmstadt einige Hundert Todesopfer gefordert hatten, entschloss er sich, die Familie und die Mieter besser zu schützen. Im hinteren Teil des Gartens ließ er ohne Genehmigung einen runden Beton-Bunker errichten. Er sollte in der Brandnacht am 11. September 1944 seiner Familie das Leben retten. Philipp Klein selbst befand sich beim Angriff in Alsbach. „Das habe ich kommen sehen“, war sein lakonischer Kommentar am Tag nach der Zerstörung.

Ohne ein Wort der Klage machte er sich daran, mit seinem Schwiegersohn Hanns Nothhelfer die Firma wieder aufzubauen. Doch die Strapazen des Neubeginns gingen an ihm nicht spurlos vorüber. Er starb am 10. April 1949, beinahe 75jährig, an Herzversagen.

Ein charaktervoller Mann

Sein Tod erzeugte eine Welle der Anteilnahme. Architekten, Unternehmer und leitende Beamte der Stadtverwaltung, die jahrzehntelang mit Philipp Klein zusammen gearbeitet hatten, erwiesen ihm in Kondolenzschreiben ihre Reverenz.

"Ihr Gatte war nicht nur ein sympathischer, angenehmer Geschäftsmann und Mitarbeiter in meiner Firma, sondern er hat sich gerade in der jetzigen schwierigen Zeit durch seine menschliche Güte und sein großes Verständnis weit über die Grenzen seiner Heimatstadt Freunde erworben."  Wilhelm Merck

"Ich habe Herrn Klein nahezu ein Menschenalter lang als einen hervorragend tüchtigen, charaktervollen und sozial empfindenden Mann gekannt, dessen Wissen, Können und Unternehmungsgeist nicht nur Ihrer Firma und Ihren Kunden, sondern der Allgemeinheit im Ganzen wertvolle Dienste geleistet hat. Die Lebensarbeit dieses vortrefflichen Mannes ist in die Geschichte unserer Heimat eingegangen..."                 Stadtrat Ludwig Schrauth.

"Herr Klein wird im Handwerk nicht vergessen werden und besonders nicht seine vorbildliche Arbeit in seinem Beruf!"           Handwerkskammer Darmstadt