Ein ganzes Leben "beim Klein"

HANS MITTELSTÄDTER, 42 Jahre Betriebszugehörigkeit

Betriebsratsvorsitzender Hans Mittelstädter

Hans Mittelstädter erinnert sich:

„Du gehst zur Firma Klein“, das sagte mein Großvater zu mir, und da gab es nichts dran zu rütteln. Ich wäre lieber Förster geworden, ich liebe den Wald. Aber mein Großvater, Georg Mittelstädter, war 50 Jahre lang als Weißbinder bei der Firma Wilhelm Klein beschäftigt und war immer stolz darauf. Auch mein Vater hatte einige Jahre bei Wilhelm Klein gearbeitet. So war ich nun auch dran. „Das ist eine seriöse Firma, da musst du dir um deine Zukunft keine Sorgen machen“, meinte mein Großvater. Alles in allem hat er Recht behalten. Ich habe es 42 Jahre nicht bereut. 1957 habe ich mit der Lehre zum Maler- und Weißbinder angefangen. Der Herr Günther Senior hat mich ausgebildet. Er hatte den Ehrgeiz, dass seine Lehrlinge bei der Prüfung gut abschneiden. Und so habe ich mich bemüht.

 Jubilahrehrung zum 125jährigen Firmenjubiläum.
Hans Mittelstädter (3. v. re.) im Kreis seiner Kollegen. Zum 125jährigen Jubiläum der Firma Klein konnte er auf 40 Jahre Betriebszugehörigkeit zurück blicken.

Mit Wella nach Russland

Ich kann sagen, dass ich sehr gut und zuverlässig gearbeitet habe. So wurde ich zumindest von der Kundschaft beurteilt. Es gab viele Kunden, die speziell nach mir fragten, damit ich zu ihrer Baustelle geschickt wurde. Zum Beispiel die Firma Wella. Wenn der Herr Bayer rief, dann musste man laufen und auch abends länger bleiben. Da war auf mich Verlass. Deshalb haben sie mich zum Beispiel zu den Friseurmeisterschaften nach Dortmund mitgenommen oder zu den Messen nach Berlin, Frankfurt und Nürnberg. Dort war ich für die Standgestaltung zuständig. Das war ungefähr Mitte bis Ende der 60er Jahre. Nach der Wiedervereinigung wurde ich sogar nach Moskau und Leningrad eingeflogen. In den Luxushotels sollten die Wella-Salons großen Eindruck machen. Da war tadellose Arbeit gefragt. Dabei fehlte es manchmal an Material. Wir mussten einiges heimlich einfliegen, das war schon abenteuerlich.

Bordüren in Bordellen

Wir hatten viel Privatkundschaft, die sich ihre Häuser und Villen von uns renovieren ließ. Das war sehr verantwortungsvoll, weil wir zum Beispiel die Schlüssel zu den Häusern bekamen und die Arbeiten ausführten, während die Kunden verreist waren. Für eine Fabrikantenfamilie flog ich auch nach Südfrankreich. Sie hatte dort ein Sommerhaus, das neu gestaltet werden sollte. Die Kunden wussten eben, dass sie uns vertrauen konnten und nichts beschädigt oder verschwinden würde. Das galt auch für etwas weniger gediegene Kundschaft. In den 70er Jahren bekamen wir zum Beispiel den Auftrag,  einige Häuser in der Frankfurter Weserstraße zu renovieren. Wie sich dann herausstellte, waren das Bordelle.

Henschel und Ropertz Darmstadt
Das Kaufhaus Henschel & Ropertz gehörte zu den langjährigen Stammkunden der Firma Wilehelm Klein. Hier die Neubau-Fassade, dahinter der Weiße Turm.

König Kunde

Wir mussten unsere Arbeitszeit immer den Kundenwünschen anpassen, vor allem bei den Firmenkunden. Wir durften ja ihre Produktion und ihre eigenen Arbeitsabläufe nicht stören. Das Kaufhaus Henschel & Ropertz war zum Beispiel auch so ein Stammkunde. Da haben wir oft nachts gearbeitet. Unsere Schicht begann, wenn die Geschäfte schlossen. Da kam unser Geschäftsführer Herr Bentz oft mitten in der Nacht, um nach dem Rechten zu sehen. Und wenn wir in Verzug waren oder manche Arbeiten nicht sauber genug ausgeführt hatten, dann stampfte er mit dem Fuß auf und alle wussten: Jetzt muss pariert werden.

Betriebsrat für 400 Mitarbeiter

Ab 1969 habe ich die Lehrlingsbaustelle geleitet und später auch die Lehrlinge im Bereich Maler- und Tapezierer ausgebildet. Damals kamen auch die ersten weiblichen Lehrlinge in den Betrieb – nach Luisa Haldy, die ja schon in den 50er Jahren zur Stuckateurin ausgebildet worden war. 1970 wurde ich Betriebsratsvorsitzender. Ich habe das Amt von Heinrich Roth übernommen, der später Vizepräsident bei der Handwerkskammer wurde. Wir nannten ihn „der rote Roth“, wegen seiner politischen Einstellung. Er war dem Baubüro der Firma Merck zugeteilt und hat nur dort gearbeitet. Die Firma Wilhelm Klein hatte damals ca. 400 Mitarbeiter und allein für die Baustellen bei Opel fuhren jeden Morgen drei Busse mit Kollegen von der Elisabethenstraße nach Rüsselsheim.

Die italienische Bank Monte dei Paschi di Siena in Frankfurt
Referenzobjekt: Die italienische Bank Monte dei Paschi di Siena in Frankfurt am Main.

Treue bis zum Schluss

Zu den großen Bauprojekten, an denen ich noch mitgewirkt habe, gehörte die Bank Monte dei Paschi in Frankfurt, die Geschäftsstelle der israelischen Fluggesellschaft El-Al und die Restaurierung des Atelierhauses in der Künstlerkolonie. Ende der 90er Jahre hatte sich aber das Betriebsklima geändert. Es gab viele Mitarbeiter, die sich der Firma nicht mehr verpflichtet fühlten. Und es gab Bauleiter, die ihre eigenen Geschäfte machten. Da lag leider viel im Argen. Zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung war das Verhältnis aber immer gut, auch als Hanns-Michael Haldy in die Firma eintrat und Herrn Günther ablöste. Da gab es kurz die Hoffnung auf einen Neuanfang. Doch die Familie entschied sich für den Verkauf. Ich bin dann noch ein Jahr im neuen Malerbetrieb Klein geblieben. Dann wurden dort aber so viele Leute entlassen, das konnte ich nicht mehr mittragen. Und so bin ich gegangen.